Im Gespräch mit Journalisten-Legende Herbert Lackner erzählt Univ.-Prof. Dr. Christoph Zielinski über Ängste, Chancen und das fordernde Fach Onkologie. Warum wohl keine Krankheit gefürchteter als Krebs ist, wieso die Vorsorge so wichtig ist und dabei auch die Politik gefragt ist, die immerwährende Angst der Patienten vor dem Rückfall und wie er die Gefahr der Abstumpfung und die Wichtigkeit von Selbstschutz sieht.
Ein exklusiver Auszug aus dem Interview, das ganze Gespräch finden Sie im Buch „Dem Krebs auf der Spur“, das am 3. Oktober erscheinen wird.
Es gibt große Fortschritte bei Diagnose und Therapie von Krebs. Aber gehen diese angesichts des großen Aufwands nicht zu langsam vonstatten?
Ich bin 1979 in den Beruf eingestiegen, in den folgenden zehn bis fünfzehn Jahren sind mir die Fortschritte viel zu langsam gegangen. Wir haben neue Chemotherapeutika bekommen, die eine bessere Wirkung hatten, aber das war dennoch nicht zufriedenstellend. Auch diese Medikamente hatten wieder nur die Verhinderung der Zellteilung zum Ziel. Aber Ende der 1990er und zu Beginn der 2000er Jahre hat dann alles an Tempo gewonnen. Jetzt ist es bereits so, dass man bei einer einzelnen Krebsart kaum noch mit allen Neuerungen nachkommt, welche die Wissenschaft uns anbietet. Bei Lungenkrebs etwa gibt es heute schon Spezialisten für eine ganz bestimmte molekulare Mutation.
Wie viele Krebserkrankungen sind auf den Lebensstil zurückzuführen, wie viele sind „ererbt“ und wie viele sind einfach Schicksal?
Grob geschätzt: Ererbt sind etwa zehn bis zwanzig Prozent, 60 Prozent sind Lebensstil und der Rest ist schicksalshaft. Lebensstil heißt: Rauchen und/oder Übergewicht, oft wegen falscher Ernährung und zu wenig körperlicher Bewegung. Rauchen spielt bei 90 Prozent aller Krebsarten eine Rolle, auch bei solchen, bei denen man es nicht erwarten würde wie etwa dem Gebärmutterhalskrebs. Lungenkrebs bei Nichtrauchern ist das, was ich schicksalshaft nennen würde.
Es ist kein Beruf, bei dem man einfach nach Hause geht, sich die Hände wäscht und mit den Kindern spielt.
Univ.-Prof. Dr. Christoph Zielinski
Alle Menschen fürchten die Krankheit Krebs, aber mindestens ebenso viele fürchten sich vor der Therapie.
Man muss PatientInnen im Gespräch klar machen, dass es bei der Verträglichkeit der Therapie große Fortschritte gegeben hat. Ich habe in den 1980er Jahren am Wiener AKH auf einer Station gearbeitet, auf der Patienten mit Hodentumoren gelegen sind. Diese jungen Burschen haben sich wortwörtlich „die Seele aus dem Leib gespieben“, weil es noch keine wirklich effektiven Medikamente gegeben hat, die diese Übelkeit unterdrücken konnten. Heute kommst du zu Patienten mit derselben Erkrankung ans Bett, die essen gerade Frühstück und lesen die Zeitung. Es ist auch nicht eine Chemotherapie wie die andere. Es hängt viel von der Biologie der Erkrankung ab. Wenn es eine sehr aggressive Erkrankung ist wie eine akute Leukämie, dann muss dem auch eine sehr aggressive Chemotherapie entgegengesetzt werden. Wenn sich wie bei Brustkrebs eine Zelle nur alle etwa hundert Tage teilt, dann brauch ich keine aggressive Therapie, sondern ich muss sie eben in turnusmäßigen Abständen längere Zeit hindurch geben.
Krebs ist offenbar eine Krankheit, die man selbst trotz Heilung nicht mehr loswird, weil die Angst vor ihrer Wiederkehr nicht verschwindet. Was hilft dagegen?
Stimmt, der Umgang mit der Krankheit ist extrem schwierig. Die meisten Geheilten haben Angst vor einem Rezidiv. Psychologische Betreuung hilft da sehr. Die sollte es genauso geben wie die Physikalische Nachsorge. Die Krebs-Rehabilitationsinstitute sind sehr wichtig. Lungenkrebspatienten haben nach der Operation, bei der ein Stück der Lunge entfernt wird, oft Atemprobleme und Angst vor dem Ersticken. Bei einer Rehabilitation wird ihnen gezeigt, wie sie richtig atmen und sich bis zu einem bestimmten Punkt auch wieder anstrengen können. Sie lernen wieder zu leben, was ja das Wichtigste ist. Denn wozu sonst sollte die Behandlung gut sein? Es gibt diesen Ausspruch von Jack London, der auch in einem James Bond-Film vorkommt: „Man muss leben, existieren ist nicht genug.“
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