Beschreibung
Über das Fremdsein und die Suche nach einer Heimat
Der Roman von Christoph Zielinski erzählt die eindringlich die Geschichte von Emigranten, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem kommunistischen Polen fliehen und in Wien in eine für sie fremde, feindselige Welt gelangen. Am Beispiel von Wacek und seiner Frau Ophelia, genannt Fela, wird der innere Konflikt zwischen der Sehnsucht nach der alten Heimat und der Hoffnung auf ein besseres Leben in der neuen Welt spürbar.
Ein eindrucksvoller Roman über Migration, Einsamkeit und die Suche nach einem Platz in einer fremden Welt.
»Als Nachfahre von Menschen, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus einem diktatorischen Regime in ein für sie fremdes Land emigriert oder geflohen sind, war es mir ein Anliegen, mich in einem Roman mit ihrem Schicksal auseinanderzusetzen.« (Christoph Zielinski)
Details zum Buch
Erscheinungsdatum: 02/2025
Einband: Hardcover mit Schutzumschlag
168 Seiten
Abmessungen 12,8cm x 21cm
ISBN: 978-3-8000-7890-5
AUTOR:INNEN
Christoph Zielinski
Univ.-Prof. Dr. Dr. h. c. Christoph Zielinski ist einer der führenden internistischen Onkologen Österreichs. Er ist seit 1992 Professor für Innere Medizin und Klinische Immunologie. Er war von 2004 bis 2017 Vorstand der Universitätsklinik für Innere Medizin an der Medizinischen Fakultät Wien, Vizedekan für den klinischen Bereich und Vizerektor an der Medizinischen Universität Wien. Christoph Zielinski war dort von 2013 bis 2018 Leiter des Comprehensive Cancer Centers. Seit 2020 ist er Ärztlicher Direktor der Wiener Privatklinik. Laurenzerberg ist sein erster Roman.
PRESSESTIMMEN
Ein bemerkenswerter Erstling!
Kronen Zeitung | Kerstin Wassermann
Voll hintergründigem Humor und gleichzeitig mit viel Ernsthaftigkeit und Würde
thematisiert der Autor Verlust, Heimat, Migration und Einsamkeit. Er zeichnet die
unterschiedlichen Lebensgeschichten auf liebenswürdige Weise nach und verleiht ihnen so im Nachgang eine Stimme. Ein besonderes Stück Erinnerungskultur. Empfohlen.
ekz-Bibliotheksservice | Gabriele Fachinger
Franziska Reim –
Heimatlos in Wien: Auf der Suche nach einem Neubeginn in den 60ern
Der Autor erzählt von jüdischen Emigranten, die in den 60er Jahren nach Wien kamen, auf der Suche nach einem Neuanfang. Viele von ihnen haben die Schrecken des zweiten Weltkriegs selbst miterleben müssen, wurden in Konzentrationslagern gefangen gehalten oder mussten untertauchen. Wenige der Figuren waren bereits die Nachkommen dieser Menschen.
Eines hatten sie gemeinsam. Sie lebten nach dem Krieg im kommunistischen Polen. Einige litten unter den politischen Umständen, andere wiederum erhofften sich in Österreich einfach ein besseres Leben für sich und ihre Kinder. Für manch einen galt Wien lediglich als Zwischenstation, um später nach Israel oder den USA ausreisen zu dürfen.
Für den Neuanfang gaben sie alles Bisherige auf, ließen die vermeintliche Heimat, ihre Verwandten und Freunde, ihre Arbeit hinter sich. Auch Wacek, seine Frau Fela und ihr gemeinsames Kind strebten nach einem anderen Leben. Sie hatten in Wien lediglich seine deutlich ältere Cousine Ada und deren Mann, der gleichzeitig Wacek Arbeit und damit Einkommen gab.
Schnell stellte sich heraus, wie unglücklich Fela mit ihrem neuen Leben in Wien war. Sie verstand die Menschen und deren Kultur nicht, litt unter den beengten Wohnverhältnissen und vermisste ihre Familie und Freunde sehr stark. Ihr Wunsch war es, nach Krakau zurückzukehren. Doch Wacek wollte diese Niederlage, dieses Versagen keinesfalls zulassen. Niemals würde er zurückkehren und sich als Verlierer präsentieren.
Ähnlich wenig konnte auch Rosenberg, ein ehemaliger politischer Verurteilter, der Stadt Wien und seinen Bewohnern abgewinnen. Er wollte jedoch auch seine Zeit als Jude hinter sich lassen, registrierte sich im Konsulat auf einen anderen Namen und wanderte zunächst in die USA aus. Mit Blick auf die frühere Zeit äußerte er beispielsweise treffend und auch melancholisch: „Es ist ein anderes Leben gewesen. Ein anderes Leben.“
Der Krieg hatte seine Spuren hinterlassen. Die Menschen hatten vieles verloren, ihr Zuhause, Familienmitglieder, Freunde, einen Teil ihrer Identität. Das lastete auf ihnen. Umso schwerer fiel ihnen das neue Leben, denn sie lebten tatsächlich häufig in ihren Erinnerungen, die sie nicht zurückholen konnten. Sie brachten ihre eigene Kultur mit, stießen jedoch auf eine völlig andere in ihrem neuen Leben. Es entsteht ein toxischer Nährboden für Verzweiflung, Trauer und auch Wut. Das Gefühl von Heimat geht nicht selten komplett verloren. Folglich bleiben diese Emigranten auch oft unter sich, finden selten Anschluss und fühlen sich stets fremd und verloren.
Ein lesenswertes Buch, dessen Stil mir gefällt. Ungewöhnlich, jedoch ansprechend, waren die kurzen Unterteilungen, anstatt gewohnter Kapitel sowie die rasch wechselnden Orte und Situationen. Auf diese Weise ermöglicht der Autor jedoch meiner Meinung nach deutlich breiter gefächerte Einblicke in die Welt des Einzelnen. Er schafft für Außenstehende ein Verständnis für diejenigen, deren Auftreten und Handeln uns manchmal ungewohnt, zurückhaltend oder anders vorkommt. Wirklich lesenswert!
Heide Rietenbach –
Österreich in den 1960igern aus der Sicht polnischer Migranten
»Als Nachfahre von Menschen, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus einem diktatorischen Regime in ein für sie fremdes Land emigriert oder geflohen sind, war es mir ein Anliegen, mich in einem Roman mit ihrem Schicksal auseinanderzusetzen.« (Christoph Zielinski)
In kurzen Kapiteln erzählt der Autor uns die Geschichte von Emigranten. Unvorstellbar und sehr traurig, nach dem Erlebten, müssen die Menschen aus dem kommunistischen Polen fliehen. Es ist doch ihre Heimat! Sie versuchen ihr Glück in einem neuen Land, mit fremden Menschen. Diese sprechen nicht nur eine andere Sprache. Zu wenig Zeit ist nach dem zweiten Weltkrieg vergangen. Sind sie hier erwünscht?
Wir begleiten Wacek, seine Frau Ophelia, genannt Fela und ihren Sohn durch die Straßen von Wien. Der innere Konflikt zwischen der Sehnsucht nach der alten Heimat und der Hoffnung auf ein besseres Leben in der neuen Welt wird mit jeder Zeile spürbar. Es macht betroffen, wie unsensibel hier einige Personen auf die geflüchteten Menschen reagieren. Diese sind jederzeit zu erkennen an den eintätowierten Zahlen. Eine unglaubliche Zerissenheit, denn in dem autoritären Polen, ist für sie auch kein Auskommen mehr.
Ein eindrucksvoller Roman über Migration, Einsamkeit und die Suche nach einem Platz in einer fremden Welt.
Gertie –
Christoph Zielinski, 1952 in der Nähe von Krakau (Polen) geboren, kommt 1957 mit seinen Eltern nach Wien. Heute ist er der führende Onkologe in Österreich und hat gemeinsam mit Herbert Lackner einige Sachbücher verfasst.
Dieses Buch ist eine Art Essay, der sich mit dem Fremdsein in einem anderen Land und dem Gefühl der Verlorenheit beschäftigt. In einem ORF-Interview erklärt er, dass in seinen fiktiven Charakteren einiges aus zahlreichen wahren Personen steckt. Er beschreibt in eindringlichen Worten das Leben von mehreren polnischen Juden, die in der kurzen Zeit des Tauwetters als Nikita Sergejewitsch Chruschtschow von 1958 bis 1964 Regierungschef der UdSSR war. Unter seiner Herrschaft durften einige (jüdische) Bürger aus den Bruderstaaten des Warschauer Pakts in den Westen ausreisen. Viele dieser Menschen landeten zunächst für einige Zeit in Wien bis sie in die USA oder nach Israel weiterreisen konnten.
Obwohl es ein Netzwerk der jüdischen und polnischen Community gibt, sind die Anfänge für die Auswanderer nicht einfach. Vieles ist unbekannt und der Antisemitismus nach wie vorhanden. Man bewegt sich wie auf dünnem Eis. In der Rückschau, so Ophelia, war es in Polen gar nicht so übel – die politischen Einschränkungen, das fehlende Warenangebot fällt nun nicht so sehr ins Gewicht, wie die kaum beherrschte deutsche Sprache. Das unbequeme alte Leben in Polen, scheint plötzlich weniger bedrohlich zu sein, als das neue, unbekannte in Wien.
Wie sehr das NS-Gedankengut noch in den Menschen verwurzelt ist, kann man lesen, als Ada ärztlichen Rat bei einem ungenannten Professor sucht. Als er entdeckt, dass Ada Polin ist, erzählt er frisch von der Leber über seine Wehrmachtszeit in Lemberg und die schönen Polinnen dort.
Ihr Kommentar ist herrlich trocken:
„Wir waren offenbar gleichzeitig in Lemberg – Sie im Theater, ich im Versteck. Sie offenbar nur kurz, während ich über Jahre dort gewesen bin.“
Meine Meinung:
Das Coverfoto hat mir sehr gut gefallen, zeigt es doch das noch nicht ganz fertiggestellte Hochhaus Ecke Schwedenplatz/Laurenzerberg.
Mir persönlich hat das Buch sehr gut gefallen. Der Schreibstil wirkt ein wenig melancholisch. Für Leserinnen und Leser, die sich in Wien nicht auskennen, kann es schwierig sein, sich zurecht zu finden. Als Wienerin, die im zweiten Bezirk, der Leopoldstadt, aufgewachsen ist und mehr als 40 Jahre im Karmeliterviertel gearbeitet hat, kenne ich natürlich die Straßen, Gassen und Plätze durch die Autor Christoph Zielinski seine Protagonisten gehen lässt. Auch das Café Prückl mit seiner Bridge-Runde sowie das Café Dogenhof sind mir bestens bekannt, habe ich doch in beiden Kaffeehäusern Tage des Schulschwänzens verbracht. Und am Schaufenster des Spielwarengeschäft in der Praterstraße, an dem Wacek vorbeiläuft, habe ich mir mehrmals die Nase platt gedrückt.
Diese Ausreisewelle Anfang der 1960er-Jahre, die hier beschrieben wird, habe ich nicht wirklich mitbekommen. Erst die zweite in den 1970er-Jahren als zahlreiche orthodoxe Juden die UdSSR verlassen haben, ist mir noch gut in Erinnerung.
Fazit:
Ein interessantes Buch über das Fremdsein und die Schwierigkeit, ein anderes Land als neue Heimat anzunehmen. Gerne gebe ich diesem Roman 5 Sterne.