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Simon Schwarz im Interview zu seinem neuen Buch »Geht´s noch?«

Simon Schwarz im Interview

Vom lustigen TV-Gesicht zum unbequemen Fragesteller: Simon Schwarz spricht über Kindheit, Widersprüche, Verantwortung – und seinen Plan, wie 3,5 % der Menschen die Zukunft verändern können.

Sie geben zu, dass Sie im Alltag oft an Ihre Grenzen stoßen und nicht immer so handeln, wie Sie es gerne möchten. Warum war es Ihnen wichtig, diese Widersprüche nicht zu verschweigen?

Mir ist klar, dass wir in einer sehr komplexen, globalisierten Welt leben. Ca. 90% aller Handelsgüter werden per Schiff transportiert. Das bedeutet, jeder von uns benutzt mehrheitlich Gegenstände oder isst Waren, die nicht in der Nähe hergestellt oder produziert wurden.  Ich versuche viel richtig zu machen oder besser, es ist ein ständiger Optimierungsprozess, aber ganz ehrlich, eigentlich ist das ist ein Kampf.
Wenn wir mal anfangen zu hinterfragen, wo was herkommt und wieviel Energie etwas verbraucht, macht es keinen Sinn mehr zu behaupten, dass es einfach ist. Wir Menschen sind fehlerhaft – also warum nicht gleich zugeben, dass es Widersprüche gibt. Ich glaube, je mehr wir darüber reden, umso eher kommen wir zu einer sinnvollen Lösung. Ich fange jetzt mal damit an zuzugeben, dass ich es gerne anders hätte, ich es aber nicht immer schaffe. Vor allem nicht alleine. 

Sie sind als Schauspieler und Kabarettist erfolgreich und beliebt. Jetzt präsentieren Sie sich als politisch denkender Autor und Aktivist. Was bedeutet dieser Rollenwechsel für Sie?

Zunächst einmal das Risiko, dass man sich fragt, warum muss jetzt noch einer, der das alles nicht gelernt, hat seinen Senf dazu beitragen. Gibt es nicht genug SchauspielerInnen, die wegen noch mehr likes und Liebe im Netzt schon aktiv sind, oder normale Menschen die angeblich wieder eine große Erkenntnis hatten, von der die Welt unbedingt wissen muss. Sie könnten mit Fug und Recht schreiben, überlasst das doch uns! Wir haben gelernt, zu recherchieren und zu schreiben – das ist unser Job. Aber das ist als denkender Mensch doch nicht ganz so einfach. Ich hatte oft irgendwie das Gefühl, das meine Stimme, meine Sicht nicht richtig repräsentiert ist, mir kommen die Diskussionen auch oft viel zu oberflächlich und zu schnell abgeschlossen vor. Deshalb war es mir ein Anliegen, endlich aufzustehen und mitzumachen. Ich bin es meiner Mutter und meinen Kindern schuldig. Ich möchte nicht einer von denen sein, die sich vom Spielplatz verjagen ließen. Also was es für mich bedeuten wird, kann ich noch nicht sagen. Nur, dass ich bleiben möchte. 

Ihr Buch ist auch ein Aufruf zu mehr Verantwortung. Was erwarten Sie konkret von Politik und Gesellschaft, um eine lebenswerte Zukunft zu sichern?

Zunächst glaube ich fest, dass wir uns dringend wieder auf ein gemeinsames Narrativ einigen müssen, das mit einem mehrheitlich wissenschaftlichen Konsens übereinstimmt. Ein wissenschaftlicher Konsens wird in unserer Gesellschaft und auch in der Politik überhaupt nicht mehr wahrgenommen. Nur, wenn er gerade ins politische Programm passt. Wenn nicht, werden irgendwelche Randstudien herangezogen. Wir sollten uns als Gesellschaft nicht das Heft für die Zukunft aus der Hand nehmen lassen, nur gemeinsam werden wir in eine gute Zukunft gehen. 

Sie schreiben: ‚Geht’s noch?‘  Wen wollen Sie mit dieser Frage erreichen, und was soll beim Publikum nach der Lektüre hängenbleiben?

Ganz ehrlich? Alle! Ich hoffe, dass mein „der lustige aus dem TV“ Status viele in die Falle lockt, mein Buch zu lesen. Menschen, die vielleicht normalerweise kein Buch über so schwierig besetzte Themen auswählen würden. Ich habe alles versucht, es nicht moralisch zu besetzten. Vielleicht auch stellenweise unterhaltsam, auf alle Fälle sehr persönlich. Wenn wir 3,5 % der Bevölkerung dazu bringen, sich aktiv für eine bessere Zukunft einzusetzen und diese 3,5 % sozial und ethisch divers sind, also nicht alle aus der gleichen Blase kommen, dann würde es reichen, um die Mehrheit davon zu überzeugen, eine bessere Zukunft für die nachfolgenden Generationen aufzubauen. Wenn ich das so lese, ist das ein ganz schön großer Plan. Ein guter Plan.

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