Anna Badora im Gespräch zu ihrem neuen Buch, in dem sie über das Leben von Frauen im Gefängnis und den Kampf um das Recht auf einen Neubeginn berichtet.
Was hat Sie dazu bewogen, über dieses Thema zu berichten?
Ein Treffen mit einer ehemaligen Mitarbeiterin hat mich auf dieses Thema aufmerksam gemacht. Ich hatte sie lange nicht gesehen. Eine gemeinsame Bekannte meinte, sie sei auf Reisen. In Wirklichkeit aber verbrachte sie die fast 3 Jahre hinter Gittern. Durch eine Reihe, wie sie mir erzählte, „unglücklicher Umstände“ war sie in eine Straftat verwickelt worden. Jetzt suchte sie verzweifelt nach einer Beschäftigung, erzählte von ihrer Stigmatisierung und ihren Resozialisierungsproblemen. Vorurteile und Klischeedenken haben mich schon in den vielen Jahren meiner Theaterarbeit beschäftigt. Auch Tabuisierung, wo Transparenz und Gespräche wichtiger wären, gehören zu meinen lebenslangen Themen. So habe ich meine Freundin angesprochen, die in Düsseldorf in leitender Stelle im Strafvollzug tätig ist, habe so Vieles aus der Welt der Verurteilten und Eingesperrten erfahren, was man als unvorbelasteter Normalbürger gar nicht weiß. Und das Thema hat mich nicht mehr losgelassen.
Sie haben sehr viel Einblick in die „Mühlen der Justiz“ erhalten – kann man das Vertrauen in unser Rechtssystem noch behalten oder beginnt man ein wenig zu zweifeln?
Wie entscheidend für eine funktionierende Demokratie eben eine funktionierende, in der Gesellschaft verankerte Justiz ist, sieht man, mit welchem Eifer gerade in Ländern, die von Autokraten regiert werden, als erstes die Justiz umgebaut wird. Wenn Teile der Justiz bei uns versuchen, die Öffentlichkeit aus den Gefängnissen heraus zu halten, kann man das als Fürsorge für die Inhaftierten ansehen, oder aber interpretieren als der Versuch, eine breite Diskussion in der Gesellschaft über die Ziele des Strafvollzugs und ihre Umsetzung zu verhindern. Ich halte dagegen nach meinen vielen Interviews mit Insassinnen, Justizvollzugbeamten und Fachleuten eine solche Diskussion für überaus sinnvoll, wenn nicht sogar für notwendig.
Gibt es einen Fall, der Ihnen besonders zu Herzen gegangen ist?
VIELE Fälle der beschriebenen Straftäterinnen haben mich extrem beeindruckt. Das war auch eins der Auswahlkriterien. Vor allem das Irrationale, Unvorhersehbare ihres Handelns hat mich gepackt. Da rast eine Frau völlig verstört über mehrere Autobahnen mit ihrem Freund auf der Motorhaube, bringt ihn fast um, weil sie vor seinen Schlägen fliehen will. Da zeigt sich eine betrügerische, hochbegabte Buchhalterin selber an, weil die Behörden ihr einfach nicht auf die Schliche kommen. Sie verlangt aber nach Recht und Ordnung und will verurteilt werden. Da gibt es eine angesehene Erzieherin aus der Mitte der Gesellschaft, allzeit hilfsbereite Nachbarin und liebevolle, sich bis zur Selbstaufgabe 21 Jahre lang für die behinderte Tochter aufopfernde Mutter und bringt sie unvermittelt um. Und da ist dann noch die Polin, die mit unglaublicher Willenskraft schlechten Männern und allen Widerständen in ihrem Leben trotzt, ihre vier Kinder als Striptease-Tänzerin durchbringt, aber dann versagt, als ein liebevoller Mann sie in den Ruhrpott in ein geregeltes Leben verpflanzt. Den Versuchungen der westlichen Konsumgesellschaft ist sie nicht gewachsen. Sie wird kaufsüchtig und kriminell.
Alle Bücher von Anna Badora im Ueberreuter Verlag
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Vom Stürzen und Wiederaufstehen€ 25,00
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Dreizehn Leben€ 24,00
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